Wie ist die Darlegungs- und Beweislast für die ersparten Aufwendungen bei freier Kündigung geregelt?
Es ist eine reine Rechtsfrage. Die gesetzlichen Regelungen sind klar: Dem Auftragnehmer steht nach "freier" Kündigung durch den Auftraggeber die vereinbarte Vergütung zu. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart.
Das OLG Düsseldorf (Az. 22 U 267/20 vom 27.08.2021) hatte jedoch Veranlassung, das noch einmal zu präzisieren. Insbesondere hat es nochmals klargestellt, wie die ersparten Aufwendungen zu ermitteln sind und welche Vertragsseite dazu was vorzutragen bzw. zu beweisen hat. Hintergrund war, dass der frei kündigende Auftraggeber die (nicht ersparten) AGK in Höhe von 15 % bestritten hatte. Das OLG führt aus:
"Maßgeblich für die ersparten Aufwendungen sind die tatsächlichen Kosten, nicht kalkulierte Kosten. [...] Der Unternehmer kann allerdings zur Darlegung der ersparten Aufwendungen auf seine Urkalkulation oder eine nachträglich erstellte Kalkulation Bezug nehmen. Dem Besteller bleibt dann die Möglichkeit, darzulegen und zu beweisen, dass die ersparten Aufwendungen tatsächlich höher sind, die Kalkulation also nicht zutreffend war. Für den Vergütungsanspruch nach "freier" Kündigung trifft den Unternehmer allein eine Erstdarlegungslast zu den ersparten Aufwendungen; behauptet der Besteller in Abweichung zum Zahlenwerk des Unternehmers, dieser habe tatsächlich höhere Beträge erspart, so trägt er hierfür die weitere Darlegungs und Beweislast. [...] Denn mit dieser Bestimmung sollte lediglich eine Erleichterung für die sekundäre Darlegungslast des Unternehmers geschaffen werden. [...] Auf ein Bestreiten der Kalkulation kann sich die Beklagte [hier: der AG] nicht stützen, erst recht nicht auf ein Bestreiten mit Nichtwissen. Denn sie trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Kalkulation falsch ist und deshalb die Klägerin [hier: der AN] tatsächlich höhere ersparte Aufwendungen hatte. Hierzu hat sie (bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat) nicht vorgetragen, auch hat die Beweiserhebung durch den Sachverständigen keine Anhaltspunkte hierfür ergeben."
"Auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob die kalkulatorischen Zuschläge zutreffend ermittelt sind, kommt es nicht an. Auch ihre Ausführungen dazu, dass die AGK überhöht kalkuliert seien, sind von vorneherein unerheblich. Maßgeblich für den Vergütungsanspruch gemäß § 649 BGB a. F. ist die Höhe der ersparten Aufwendungen. Wenn und soweit diese den vereinbarten Werklohn unterschreiten, verbleibt ein Anspruch gemäß § 649 BGB a. F. Auf die (kalkulatorische) Bezeichnung kommt es hierfür nicht an. So mag man das vorbeschriebene Delta zwischen dem Werklohnanteil für die nicht erbrachten Leistungen und den ersparten Aufwendungen als "Gewinn" bezeichnen, wenn ausgeblendet wird, dass dieser "Gewinn" teilweise zur Deckung der allgemeinen Geschäftskosten herangezogen werden muss. Die sich daran anschließende Frage, inwieweit der aus einem konkreten Vertrag resultierende Gewinn dann schließlich auch zu einem Gewinn des Unternehmers in einem bestimmten Geschäftsjahr führt, ist aber für § 649 BGB unerheblich. Anders gewendet: Es kann unterstellt werden, dass die Klägerin den Deckungsanteil für AGK mit 15 % in dem Sinne überhöht angesetzt hat, als dass sie auch mit einem geringeren Zuschlagssatz (bei sämtlichen Verträgen des Geschäftsjahrs) ihre allgemeinen Geschäftskosten (den sog. Overhead) hätte decken können. In diesem Falle hätte sie den vereinbarten Werklohn für sich günstig kalkuliert. Der "Gewinn" (im Sinne Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen) würde zu einem höheren Unternehmensgewinn führen als kalkuliert, weil der aus dem konkreten Vertrag erzielte Gewinn letzlich im geringeren Umfang zur Deckung der allgemeinen Geschäftskosten herangezogen werden müsste. Dieser Vorteil muss der Klägerin aber in jedem Fall verbleiben, denn sie soll durch die freie Kündigung keinen Nachteil erleiden. Darauf, ob der kalkulierte Zuschlag als Deckungsbeitrag für die AGK oder als Gewinn bezeichnet ist, kommt es also nicht an."
"Vor diesem Hintergrund ist auch die Auffassung der Beklagten falsch, im Hinblick auf die Bauzeit und die auf der Baustelle eingesetzten Mitarbeiter seien die AGK überhöht. Der Zuschlag für AGK erfolgt nicht zur Deckung der Kosten der Baustelle, sondern zur Deckung der laufenden Kosten des Unternehmens"
Fazit:
Es kommt für den gekündigten AN also nicht darauf an, die Höhe der AGK und des Gewinns zu rechtfertigen. Vielmehr ist entscheidend, ob die ersparten EKT und BGK im Fall der Durchführung (Nichtkündigung) des Vertrags tatsächlich erforderlich gewesen wären. Dabei trifft den AN die Erstdarlegungslast, den AG im Falle des Bestreitens die Darlegungs- und Beweislast.