Wie umfassend ist die Prüfungs- und Hinweispflicht des AN bzw. wann muss der AN Bedenken anmelden?
Gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B muss der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile sowie gegen die Leistungen anderer Unternehmer unverzüglich mitteilen. Kommt er dieser Prüfungs- und Hinweispflicht nicht nach und das Gesamtwerk wird dadurch beeinträchtigt, so dass sich die Werkleistung als mangelhaft erweist, kann er vom Besteller (Auftraggeber) auf Gewährleistung in Anspruch genommen werden.
Wie weit geht diese Verpflichtung für den AN?
Das OLG Zweibrücken hat am 20.07.2015 unter Az. 6 U 7/14 (BGH, Beschluss vom 17.05.2017; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) hierzu entschieden:
"Die Grenzen dieser Verpflichtung ergeben sich aus dem Grundsatz der Zumutbarkeit, was jeweils unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist. Dabei bestimmen sich die Anforderungen u.a. nach dem vom Unternehmer zu erwartenden Fachwissen, nach seiner Kenntnis vom Informationsstand des Vorunternehmers und überhaupt sämtlicher Umstände, die bei hinreichend sorgfältiger Prüfung als bedeutsam angesehen werden können.
[...]
Die Ausgestaltung der Hinweis- und Prüfungspflicht hängt weiter davon ab, welcher Pflichtkreis des Auftragnehmers betroffen ist. So ist die Prüfungspflicht am stärksten hinsichtlich der vom Auftraggeber bereitgestellten Stoffe oder Bauteile, weil auf diesem Gebiet die Sachkenntnis des Auftragnehmers, der üblicherweise selbst die Stoffe oder Bauteile bereitstellt und für deren Ordnungsmäßigkeit einstehen muss, am größten ist.
Als geringer ist der Umfang der Prüfungspflicht hinsichtlich der Vorleistung anderer Unternehmer einzuordnen, da diese das Fachgebiet des Auftragnehmers nur dort berühren, auf denen seine Leistung unmittelbar aufbaut.
Am geringsten ist die Prüfungspflicht dort, wo es um die vorgesehene Art der Ausführung geht, weil diese grundsätzlich dem Planungsbereich zuzuordnen ist, in dem der Auftraggeber regelmäßig einen eigenen Fachmann, nämlich einen planenden Architekten oder Ingenieur beschäftigt.
Insbesondere können Prüfungs- und Mitteilungspflicht ganz entfallen, wenn es sich bei dem Auftraggeber um einen solchen handelt, der selbst über konkret vorliegende und ersichtlich zu erwartende erhebliche Fachkenntnisse verfügt.
Bedarf es danach eines Hinweises des Auftragnehmers, kann entgegen dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 VOB/B ein mündlicher Hinweis ausreichen, sofern er eindeutig, d.h. inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend ist."