Findet die Leistung des Vorunternehmers immer vor der eigenen Leistung statt?
Im allgemeinen Sprachgebrauch sollte man annehmen dürfen, dass aus Sicht eines Auftragnehmers mit Vorunternehmer derjenige Unternehmer gemeint ist, der seine Leistung auch vorher erbringt, so dass der nachfolgende Unternehmer darauf aufbauen kann. Das ist nach baujuristischem Verständnis allerdings so nicht zwingend. Das hat Konsequenzen für die Pflicht des AN, ggf. Bedenken anzumelden.
Das OLG Hamm (Az. 24 U 48/15) sagt dazu in seinem Urteil vom 19.04.2016:
"Die Aufklärungs- bzw. Hinweispflicht des Unternehmers
beschränkt sich auch nicht nur auf Leistungen die ein anderer
Unternehmer zeitlich vor den Arbeiten des Auftragnehmers ausgeführt
hat und auf denen der Auftragnehmer im Anschluss daran aufbauen soll.
Der Begriff der Vorleistung kann nämlich nicht in erster Linie aus
der zeitlichen Abfolge der zu erbringenden Arbeiten erschlossen werden.
[...]
Möglicherweise wird deshalb allein vom tatsächlichen Ablauf
her die Vorunternehmerleistung in der Regel zeitlich vor der Arbeit des
Auftragnehmers zu erbringen sein. Zwingend ist diese Reihenfolge jedoch
nicht. Denn die in der Rechtsprechung anerkannte Definition der
Vorleistung gemäß § 13 Abs. 5 VOB/B 2006 reicht viel
weiter, was auch sachlich gerechtfertigt ist, da zeitliche Abfolgen
vielfach zufallsbedingt sind. Vorleistungen sind nach der zutreffenden
Definition des Bundesgerichtshofs solche Leistungen, die Auswirkungen
auf die Leistung des Auftragnehmers haben, weil sie diese nachteilig
beeinflussen können. Das ist dann der Fall, wenn sie die
sachlich-technische Grundlage für die Leistung des Auftragnehmers
bilden [...] Das zeitliche Moment der Abfolge der Bauleistungen tritt
dabei in den Hintergrund. Es kann vielmehr auch eine Hinweispflicht
gegenüber zeitlich nachfolgenden Arbeiten anderer Unternehmer
bestehen."